Mit der Forderung nach drakonischen Strafen und schweren Vorwürfen bis in russische Regierungskreise hinein hat die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auf die Dopingaffäre in Russland reagiert. Die Ermittlungskommission der WADA empfahl am Montag in Genf (Schweiz), Russland aus dem Leichtathletik-Weltverband IAAF auszuschließen und fünf Athleten sowie fünf Trainer auf Lebenszeit zu sperren.
Das Kontrolllabor in Moskau soll geschlossen, dessen Direktor abgelöst werden. Dem russischen Sportminister Witali Mutko wurde vorgeworfen, er solle angeordnet haben, „bestimmte Dopingproben zu manipulieren“.
Das Gremium war eingesetzt worden, um die in einer ARD-Dokumentation erhobenen Vorwürfe über Doping im russischen Spitzensport zu untersuchen. In dem Film „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ waren am 3. Dezember 2014 geheime Aufzeichnungen in Bild, Ton und Schrift mit Hinweisen auf staatlich unterstütztes Doping präsentiert worden. Im Hintergrund soll offenbar ein Betrugs- und Vertuschungsapparat gewirkt haben.
Die Kommission wird vom früheren WADA-Chef Richard W. Pound geleitet. Dem Gremium gehören zudem der anerkannte Sportrechts-Experte Richard McLaren und der deutsche Kriminalbeamte Günter Younger an.
IAAF erwägt Ausschluss Russlands
Angesichts der jüngsten Doping-Enthüllungen erwägt die IAAF einen „provisorischen und kompletten Ausschluss“ Russlands. Dies teilte der Weltverband am Montag mit und reagierte auf entsprechende Forderungen der WADA. Das hätte ein Startverbot russischer Athleten bei künftigen IAAF-Veranstaltungen zur Folge.
„Die Informationen in dem Bericht der WADA-Kommission sind alarmierend“, meinte IAAF-Präsident Sebastian Coe, der weitere Schritte im Kampf gegen Doping ankündigte. „Wir werden alles mögliche tun, um die sauberen Athleten zu schützen und das Vertrauen in unseren Sport zurückzugewinnen.
Zeit, Konsequenzen zu ziehen
Für den Deutschen Olympischen Sportbund ist der Untersuchungsbericht der WADA ein wichtiger Meilenstein. „So beunruhigend und erschreckend die Vorkommnisse sind, so wichtig und dringend erforderlich war es für den gesamten Sport, dass diese Untersuchung die Fakten ans Licht brachte und dass nun auch harte Konsequenzen folgen“, sagte der DOSB-Vorstandschef Michael Vesper. Die Vorschläge der WADA-Kommission seien weitreichend und notwendig.
Der frühere IAAF-Vizepräsident Helmut Digel hält die russische Affäre für einen Wendepunkt, nachdem der Sport sich entscheidend verändern könnte. „Der Doping-Fall des kanadischen Sprinter Ben Johnson 1988 und auch der FIFA-Skandal sind dagegen harmlos“, meinte der Tübinger Sportsoziologe. Der Schaden für die IAAF seien immens groß. „Die Leichtathletik steckt in einer Glaubwürdigkeitskrise, deren Reichweite noch nicht zu ermessen ist“, sagte Digel.
Entsetzt zeigte sich auch der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Der WADA-Bericht übersteigt meine Befürchtungen bei weitem“, sagte Clemens Prokop. „Es ist an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Wenn alle Vorwürfe stimmen, muss den WADA-Empfehlungen gefolgt werden.
IOC-Ethikkommission empfiehlt Suspendierung von Lamine Diack
Ebenfalls am Montag hat die Ethikkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Suspendierung des IOC-Ehrenmitglieds Lamine Diack empfohlen. Der frühere Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes steht unter Korruptionsverdacht, er soll Doping-Fälle vertuscht haben. Die französische Justiz hat Anklage gegen den 82 Jahre alten Senegalesen wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche erhoben.
Völlig verblüfft war Helmut Digel angesichts der Korruptionsvorwürfe gegen Diack. „Das hat mich in der Tat überrascht, weil er nicht nur ein derartiges Betrugssystem betrieben hat, sondern auch der Drahtzieher in diesem System gewesen sein soll“, sagte Digel. Weder das Council des Weltverbandes noch die Exekutive habe davon gewusst. „Wir haben uns immer als Verband verstanden, der engagiert gegen Doping kämpft.“
Interpol wird die weltweite Untersuchung zu Korruption und Doping in der Leichtathletik koordinieren. Dies teilte die internationale Polizeibehörde am Montag in Lyon mit. Die Ermittlungen werden von der französischen Polizei geleitet. Ausgelöst wurde die umfangreiche Untersuchung durch die Dopingaffäre in Russland.